Moskau, Moskau... - Wir waren erneut in Russland

Hallo!
Ich bin es...Grímur, seit 2008 Maskottchen und Wegbegleiter des Fanclubs „Die Wikinger". Im Februar 2011 durfte ich mit dem Fanclub nach St. Petersburg reisen und Euch von diesem Ausflug erzählen und auch in diesem Jahr sollte es wieder weit nach Osten gehen. Dies ist mein Bericht:

Sobald nach der Auslosung der Championsleague-Gruppen klar war, dass Medvedi zu unseren Gegner gehören würde, hatte unser bewährter Russland-Experte Arne Callsen verkündet: „Die Tour nach Moskau machen wir!"

Viele Wikinger – und ich natürlich auch – waren früh entschlossen, dabei zu sein. Viele Mails mit dem Betreff „Moskau, Moskau..." wurden verschickt, es wurde organisiert und geplant. Flüge, Hotels, Visa und das Sightseeing-Programm von Arne waren komplett – wir waren bereit! Ich hatte auch schon extra meine Russenmütze heraus gesucht, die mir Inga und Heino 2011 gekauft hatten. Aber zwei Tage vor dem Abflug kamen erste Gerüchte auf, dass die Sicherheitskräfte am Hamburger Flughafen am Mittwoch, unserem Abreisetag, erneut streiken würden. Am Dienstag um 14.00 Uhr wurden die Befürchtungen Gewissheit – was nun???? „Ruhe bewahren!", sagte das Reisebüro, mit dem Arne in ständigem Kontakt war. Gar nicht so einfach – bis 18.00 Uhr am Dienstagabend blieb es nervenaufreibend. Dann kam die erlösende Nachricht: Wir fliegen!!! Unsere Flüge wurden von der Aeroflot auf Hannover umgebucht. Der Bus wurde genauso wie die Mitreisenden eine Stunde früher angefordert. Alles kein Problem. Die längere Anfahrt zum Flughafen bot die Gelegenheit für einen Sektfrühschoppen im Bus. Unterwegs erhielt Präsi Ingo einen Anruf von Erhard Sandhofen vom Club 100, der mit der Mannschaft unterwegs war. Er wollte wissen, ob wir trotz allem unterwegs seien, freute sich darüber, dass es so war und bestellte Grüße von der Mannschaft.

 

Ohne Stau und ohne Probleme brachte Cliff uns zum Terminal und das Abenteuer „Moskau" konnte wirklich beginnen. Bis zum Check in war noch viel Zeit. Einige nutzten die Zeit für das Studium der Reiseführer, um die Entdeckung der Moskauer Sehenswürdigkeiten zu planen. Wie gut, dass es für das Kind im Zippe ein Kinder-Karussell mit Hubschrauber gab. Sven-Uwe postete das Bild bei Facebook mit dem Kommentar „Zippe fliegt schon mal los." Ich war ein bisschen traurig, denn Zippe hatte mich nicht mitgenommen. Aber dann ging es für alle los und für mich wurde es ein bisschen spannend. Aber im Rucksack von First Lady Birte schmuggelte ich mich ohne Reisepass und Visum, dafür aber mit Schwert durch alle Kontrollen. Wie gewohnt wollten wir unsere verpackten Trommeln und Fahnen als Sperrgut aufgeben. Dieses Mal sollte das aber extra kosten und daher gingen sie als Handgepäck durch – zumindest bis wir im Flieger erstaunte Blicke des Kabinenpersonals ernteten. Die Kartons mit den Trommeln passten nicht in die Fächer für das Handgepäck, durften dann aber freundlicherweise 1. Klasse reisen. Ich war ein wenig neidisch, saß aber letztlich genauso gern bei den Wikingern. Arne übersetzte die russischen Sicherheitsvorschriften auf eigene Art – spätestens beim „Brillen abnehmen" wurden einige in der Gruppe misstrauisch – und ich war froh, dass ich keine Brille trage.

 

Pünktlich landeten wir in Moskau und nach den für EU-Bürger ungewohnten Pass- und Visakontrollen traten wir in die russische Kälte. Der bestellte Bus wartete schon auf uns – allerdings zunächst am falschen Terminal. Aber nach wenigen Minuten Wartezeit war er vor Ort und nahm uns auf, um uns ins Hotel zu fahren. Im Radio lief während der Fahrt „Winds of Change" von den Scorpions – irgendwie passend und ich trällerte leise mit. Nach einer knappen Stunde Fahrtzeit und allerersten Moskau Eindrücken kamen wir am gigantischen Hotelkomplex Izmailovo an. Beim ersten Anblick hatte nicht nur ich Bedenken, mich darin zu Recht zu finden. Aber es war doch alles ganz einfach und wir hatten eine tolle Unterkunft für unseren Moskau-Aufenthalt. Ich wurde dabei zum Zimmerpendler und ließ es mir entweder beim Präsi und der First Lady oder im „Heinl-Dibbert-Zimmer" gut gehen.

Nach so einem langen Tag hat man Hunger und Durst. Glücklicherweise hatten die zum Hotel gehörigen Kneipen und Restaurants auch am späten Abend – Moskau ist uns um drei Stunden voraus – noch geöffnet. Und so wurden die ersten eingetauschten Rubel gleich in Bier, Wodka und Essen umgesetzt.



Am Donnerstag stand um 10.00 Uhr wieder ein Bus bereit, mit dem wir uns aufmachten, um uns einen ersten Eindruck von der Megapole Moskau zu machen. Fahnen, Trommeln, Trikots und sonstige Fan-Ausrüstung waren auch schon mit an Bord. Ich hatte mich auch gut von der Anreise erholt und saß in der ersten Reihe. Nach einem üppigen Frühstück, u. a. mit Pommes und Nudeln, war ich gespannt, was der Ausflug so bringen würde. Der Tag hatte mit einer echten Überraschung begonnen: am Empfang des Restaurants wurden wir in perfektem Deutsch von einem sehr freundlichen jungen Mann begrüßt, der augenscheinlich viel Spaß hatte, seine Kenntnisse an den Mann und die Frau zu bringen und uns bzw. der Mannschaft viel Erfolg für das Spiel wünschte.

 

Unsere Reisegruppe vergrößerte sich für den Rest des Tages. Thies und Daniel waren auf eigene Faust nach Moskau gereist und nutzten die Gelegenheit, um mit uns eine Stadtrundfahrt zu machen und vor allem um später am Tag mit uns zum Spiel zu fahren

Das erste Ziel war der Fernsehturm im Stadteil Ostankino. Mit seiner Gesamthöhe von 540 Metern wird er nur von vier anderen Gebäuden auf der Welt übertroffen. Laut Routenplaner erwartete uns eine Fahrtzeit von gut 20 Minuten. Dass das blanke Theorie war, zeigte uns eine ausführliche Lektion in Sachen Moskauer Verkehrschaos und den besonderen Verhaltensregeln, um dieses zu bewältigen. Mehrspurige Straßen ohne Fahrbahnmarkierung – es wird stets aktuell festgelegt, wie viele Fahrbahnen es gibt. Als Warndreieck wird gern ein Behälter mit Frostschutzmittel aufgestellt. Hupen gehört unbedingt zum guten Ton beim Autofahren in Moskau. Wem es zu langsam vorangeht, der nutzt kurzerhand den Bürgersteig als Fahrbahn und fädelt sich vorn an der Ampel vor der Autoschlange wieder ein. Oder man nutzt einen Rettungswagen als Tempomacher und klemmt sich dahinter. Aber wirklich schnell geht es trotz aller Tricks nicht voran – auch für uns nicht. In der Praxis war die Fahrtzeit dreimal so lang wie in der Theorie und so musste Arne unseren Termin für den Rundblick über die Stadt verschieben.

 

Wir nutzten die Zeit bis zum nächsten Fernsehturm-Termin, um uns einen kurzen Überblick über die Allunionsausstellung zu verschaffen. Besonderen Eindruck machte dabei der goldene Brunnen der Völkerfreundschaft. Die First Lady trug mich freundlicherweise auf dem Arm, so dass auch ich die hübschen Gebäude sowie die kurzfristig errichtete Snowboardpiste betrachten konnte.
Aber dann nahmen wir das letzte Stück Weg zum imposanten Fernsehturm in Angriff, den wir schon lange Zeit vor Augen gehabt hatten. Während Arne die Formalitäten erledigte, machte Ingo Völkerverständigung und pflegte deutsch-englische Konversation mit russischen Schulkindern. Für die Altersangabe und den Austausch der Namen reichte es. Bis wir die Aussichtsplattform auf 337 m Höhe des raketenartig aussehenden Giganten erreichen sollten, lagen aber noch weitere Hürden vor uns. Der Fernsehturm erwies sich als Hochsicherheitstrakt, Passkontrolle und Sicherheitskontrolle mussten überstanden werden. Ich war schnell wieder im Rucksack untergetaucht und blieb auch dieses Mal unentdeckt. Puh... Dann ging es mit dem Fahrstuhl in 42 Sekunden in die Höhe, wo uns ein fantastischer Rundblick über Moskau erwartete. Bei typischem Wikinger-Reisewetter mit blauem Himmel und Sonnenschein waren wir sicher in manche Richtungen nicht weit von den möglichen 60 km Sichtweite entfernt. Eine besondere Sichtweite gab es auch in eine andere Richtung.....Wer Nervenkitzel mag, der wagte sich auf die in den Fußboden eingelassenen Glasplatten und blickte von dort in die Tiefe. Sehr beeindruckend und definitiv nicht jedermanns Sache! Auch ich hielt mich vornehm zurück...

 

Weiter ging es durch den dichten Verkehr zum nächsten Ziel und zur weiteren Annäherung an Moskau. Nur 80 m hoch liegt die Aussichtsplattform auf den Sperlingshügeln, aber auch von dort hat man fantastische Ausblicke auf Moskau. Besonders beeindruckend der Kontrast zwischen dem Zuckerbäckerstil der größten und ältesten Universität Russlands, der Lomonossov-Universität (Petra fühlte sich an Harry Potters Hogwarts erinnert) und der modernen Skyline von Moscow City, einem neu errichteten Büro- und Wohnkomplex. Ein wenig Sport bekamen wir an dieser Stelle auch schon geboten: den Blick auf das Olympiastadion Luschniki und zudem konnten wir Skispringer beim Training beobachten.



Im Anschluss zog es uns zu unserem eigentlichen sportlichen Ziel: der Sporthalle Olimpijski in Chekhov einem Vorort von Moskau (80 km entfernt). Angesichts des Schneckentempos in der anscheinend endlosen Moskauer Rush-hour überlegten wir schon, wie wir eine Spielverlegung erreichen könnten. Aber irgendwann hatten wir den Stadtverkehr hinter uns gelassen und es ging auf der Autobahn zügig voran, so dass wir dann doch über zwei Stunden vor Anpfiff vor Ort waren. Dass wir an der richtigen Halle waren, machte ein Riesenplakat mit der Ankündigung des Spiels deutlich. Ein perfekter Hintergrund für ein Wikinger-Gruppenfoto vor der Halle. Natürlich lächelte auch ich freundlich in die Kamera. Chekhov hat nicht viel zu bieten – das bestätigten uns später auch die Spieler – aber zum Glück gab es gegenüber der Halle ein usbekisches Restaurant, in dem sich hungrige Wikinger vor dem Spiel noch stärken konnten. Mit Hilfe einer russisch-englischen Speisekarte und viel Zeichensprache konnten wir uns Getränke und verschiedene Leckereien bestellen und genießen. Ich traute mich aus meinem Rucksackversteck und machte ebenfalls erste Bekanntschaften mit russischen Kulinarien. Lecker war's! Auch der Trainer der „Bären von Chekhov" und der Spieler Sergej Gorbok scheinen viel von der usbekischen Küche zu halten – sie waren dort ebenfalls zu Gast. Gut, dass das für einige Wikinger obligatorische Auswärtsbier hier genossen wurde, in der Halle gab es nämlich keine alkoholischen Getränke – von gewissen Ausnahmen abgesehen. Dazu später mehr. ;-)

 

Die vorbestellten Karten lagen bereit und dank Arnes Bestellung auf Russisch zahlte die Gruppe auch den russischen Preis und nicht wie in St. Petersburg den vierfachen Spezialpreis für deutsche Fans. Wann kommt man schon mal in den Genuss für umgerechnet 2,50 € ein Championsleague-Spiel der SG zu sehen? So waren die etwas höheren Anreisekosten doch gut zu verschmerzen. :-)

In der Halle fanden wir problemlos den Gästeblock und genauso problemlos konnten wir unsere Wikinger-Fahne und eine große SG-Fahne aufhängen. Kaum angekommen wurden wir von Dierk Schmäschke begrüßt und ein paar Minuten später zierte ein Foto der mitgereisten SG-Fans die Facebook-Seite der SG. Ich hatte mich schnell in der ersten Reihe des SG-Fanblocks platziert, um beste Sicht zu haben und natürlich auch, um dem Foto das gewisse Etwas zu verleihen.

Kurz vor dem Spiel stürmten noch ein paar Medvedi-Fans mit Fahnen und Trommeln die Tribüne hinter dem Tor. Ob es in Chekhov üblich ist, so kurz vor Anpfiff zu kommen oder ob sie noch schnell engagiert wurden, um unseren Trommeln etwas entgegenzusetzen, diese Frage blieb unbeantwortet. Auf jeden Fall machten sie gut Stimmung und hatten anscheinend kein Problem damit, dass wir genau vor ihrem Block die große SG Fahne aufgehängt hatten.

Und dann ging es auf Bärenjagd. Am Anfang auch sehr erfolgreich – die SG legte einen Blitzstart hin. Aber auch Medvedi hatte ja noch Chancen auf eine bessere Ausgangslage für das Achtelfinale und steckte nicht auf. Nach einer 3-Tore-Führung in den Anfangsminuten ging es mit einem Tor Rückstand in die Pause. Für viel Spaß sorgte bei uns die Nachricht, dass bei Eurosport von den „drei mitgereisten SG-Fans" gesprochen wurde – dumm, wenn man nur auf Bildmaterial vertraut. Aber andererseits ein Riesenkompliment an Kristin, Frøya und Astrid – zu dritt so einen Alarm zu machen – Respekt ;-).

Nach der Pause drehte sich das Spiel immer weiter in Richtung von Medvedi und eine Viertelstunde vor Schluss sah es nicht mehr so gut aus mit Gruppen-Platz 1 oder 2 für die SG. Aber die Jungs kämpften sich wieder heran, unermüdlich angefeuert von den Wikingern. Und am Ende gab es die „Punktlandung", wie die SG es auf ihrer Homepage schrieb. Das Unentschieden reichte, um den 2. Platz zu sichern und nach dem Spielverlauf konnte es wie ein Sieg gefeiert werden. Da Eurosport mich missachtet hatte, ließ ich mich noch schnell vor der Medvedi-Fahne fotografieren, so ein Sieg über Bären muss schließlich dokumentiert werden.

Während des Spiels gab es eine nette Überraschung. Ein Vertreter von Medvedi überreichte unseren Trommlerinnen eine Flasche Medvedi-Sekt als Anerkennung für unsere tolle Unterstützung. Bei welchem Spielstand dies geschah – ob bei der 5-Tore-Führung der Bären oder bei einer SG-Führung - ist nicht mehr nachzuvollziehen. Auf jeden Fall eine ganz tolle Geste!

 

Nach dem Spiel erfuhren wir von den Spielern, dass Chekhov wirklich nicht mehr als diesen Abstecher wert ist. Wohnsilos, ein Hotel, in dem Sportler nicht genug zu essen bekommen und keine Sehenswürdigkeiten. Da konnten wir die Jungs mit dem bereits erlebten und den weiteren Plänen für die nächsten Tage noch ordentlich neidisch machen. Steffen Weinhold gab sogar eine Fotoshow der 100 besten Bilder von Moskau in Auftrag, die er dann auf der Videowand der Flens-Arena beim nächsten Heimspiel bewundern wollte. Mein persönliches Highlight des Tages waren aber weder der Fernsehturm noch das Spiel oder der Sekt: Nach dem Spiel kamen zunächst einmal alle Spieler, um alle Wikinger abzuklatschen. Das war toll! Später kamen einige der Jungs noch einmal zurück und da ist es dann passiert: ich habe meinen Landsmann Ólafur Gústafsson kennen gelernt und er hat mir sogar die Hand geschüttelt. Óli war ganz begeistert, dass er nicht der einzige Isländer bei der SG ist und wir haben verabredet, uns bald einmal wieder zu sehen. Leider wurde dieser Moment nicht fotografisch dokumentiert, aber wir werden bestimmt noch mal ein gemeinsames Foto machen.

 

Dann wurde es nach einem langen Tag Zeit, zurück ins Hotel zu fahren. Thies und Daniel verabschiedeten sich am Stadtrand von uns und wechselten vom Bus in die Metro. Nett war es mit ihnen gewesen und sie hatten hoffentlich auch noch schöne Tage in dieser faszinierenden Stadt.

Kurz vor Mitternacht – nach 14 Stunden Busfahrt, Eindrücken, Sehenswürdigkeiten und einem spannenden Spiel – waren wir wieder im Hotel. Einige Wikinger hatten aber immer noch genug Energie, um den Abend in geselliger Runde ausklingen zu lassen. Dabei wurde der Medvedi-Sekt geleert und ein wenig des „russischen Nationalgetränks" getrunken. Muss ich betonen, dass ich auch dabei war?



Am Freitagvormittag traf sich die Reisegruppe frisch und voller Erwartung, um unter Arnes Führung noch dichter an die Sehenswürdigkeiten Moskaus heranzukommen. Bevor es losging, bekamen wir noch eine Lektion in Sachen russischer Geschäfte. Arne hatte für den Samstagabend ein landestypisches Essen für die ganze Reisegruppe vorbestellt und einen festen Preis ausgehandelt. Nun hatte man ihm aber kurzerhand mitgeteilt, dass man den Preis für das Essen fast verdoppeln müsse, weil Nationalfeiertag sei. Solche Tage kommen ja auch immer so plötzlich... Nach kurzer Diskussion beschloss die Wikinger-Gruppe, dass man das „schlucken" würde, um einen gemeinsamen Abschlussabend verbringen zu können. Nach dieser Entscheidung ging es los.

 

Unser Verkehrsmittel war nun nicht mehr der Bus sondern die Metro. Angesichts der prall gefüllten Metrobahnen versteht man, warum sich mancher lieber mit dem Auto durch den Stau quält. Aber wir schafften das Kunststück trotz zweimaligem Umsteigen, dass die komplette Reisegruppe den Untergrund an der Zielstation verließ. Birte hatte schon im Hotel etwas Sorge gehabt, dass ich im Gewusel verloren gehen könnte und hatte mich deshalb in Astrids Obhut übergeben – bzw. in deren Rucksack. Kaum hatte uns das Tageslicht wieder, verließ ich diesen aber, denn ich wollte natürlich auch sehen und hören, was Arne sich für uns überlegt hatte. Er erklärte uns, dass wir in China Town seien und wies uns auf ein Gebäude hin, dass heimatliche Gefühle aufkommen ließ, sah es dem Flensburger Rathaus doch sehr ähnlich. :-) Wir gingen aber in die andere Richtung weiter und schon bald leuchteten uns bei blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein die ersten goldenen Zwiebeltürme entgegen. Wenig später standen wir staunend vor der bunten Turmvielfalt der Basiliuskathedrale, die auf dem weltberühmten Roten Platz steht. Für mich gab es extra ein kleines Modell in Eis, das mich prompt von den Füßen holte – so beeindruckt war ich.

Rund um den Roten Platz reihen sich die Prachtbauten aneinander: die Kremlmauer, die Türme des Kremls mit den kommunistischen rubinroten Sternen auf den Spitzen, das Historische Museum mit den goldenen Zarenadlern auf den Türmen – einfach nur schön, wie „krasnaja" übersetzt wurde, bis es die neue Bedeutung „rot" erhielt. Nach der Pracht unter freiem Himmel gab es Luxus unter imposanter Glaskuppel. Das Kaufhaus GUM beherbergt in prächtigen Galerien Chanel, Dior und Co. Da hieß es für uns Wikinger „nur gucken, nicht kaufen" ;-). Aber für eine kleine Stärkung in dieser beeindruckenden Atmosphäre reichte die Reisekasse. Bevor die Versuchung zu groß wurde, die Rubel doch noch in Luxusartikel zu investieren, ging es draußen weiter und durch das Auferstehungstor ließen wir die Symbole für Glauben, Macht und Geschäft rund um den Roten Platz hinter uns.

Direkt hinter dem Eingang in den Alexandergarten, befindet sich das Grab des unbekannten Soldaten an der Kremlmauer mit einer ewig brennenden Flamme und einer stündlich wechselnden Ehrenwache. Bei unserem kurzen Weg im strahlenden Sonnenschein durch den Alexandergarten konnten wir uns gut vorstellen, dass dieser Lustgarten im Sommer viele Menschen anlockt. Vom Alexandergarten aus ging es in die Tiefe. Das Kaufhaus Ochotny Rjad bietet alles, was das Herz begehrt auf 62.000 m2 Fläche und drei unterirdischen Ebenen unter dem Manegenplatz. Hier hätte es schon eher etwas für unser Portemonnaie gegeben, aber zum Shoppen waren wir (noch) nicht da und so ging es wieder hinauf ans Tageslicht. Auf der Tverskaja Straße endete der gemeinsame Rundgang.

 

Für Frøya und Ruwen organisierte Arne noch den Kauf von Karten für ein klassisches Konzert am Abend. Alle, die voll von Eindrücken zurück ins Hotel wollten, begleitete er anschließend zur richtigen Metro. Zahlreiche Wikinger hatten vom besonderen Zauber gehört oder gelesen, den der Rote Platz am Abend verbreitet, und wollten diesen unbedingt genießen. Bis dahin war noch Zeit für weitere Erkundungen. Für einen Teil der Gruppe war das Innere der Kremlmauern das nächste Ziel. Wichtige Menschen, Militärmusik, weitere prächtige Kathedralen und Türme – es gab viel zu sehen und zu bestaunen. Der andere Teil der Gruppe machte sich auf den Weg zur Christi-Erlöser-Kathedrale am Ufer der Moskwa. Leider war es schon zu spät, um noch das Innere dieser bedeutenden Kathedrale, die 10.000 Gläubigen Platz bietet, bewundern zu können. Aber wer weiß wofür es gut war. Es ist nämlich die Kathedrale, in der die Pussy Riots ihren Auftritt hatten und vielleicht wäre der Übermut mit meinen Begleitern durchgegangen?! Vom Vorplatz der Kathedrale hatte man einen tollen Blick zum Denkmal zu Ehren von Zar Peter dem Großen, das größer als die Freiheitsstatue in New York ist. Es handelt sich um ein überdimensionales Schiff, auf dem Zar Peter II. nicht zu übersehen ist. Auf dem Rückweg hatte diese Gruppe das Glück, eine Wachablösung der Ehrenwache am Grabmal des unbekannten Soldaten zu erleben. Ich habe später am Abend versucht, den typisch zackigen Schritt zu kopieren, den die Soldaten perfekt beherrschten, leider bin ich dafür aber nicht gelenkig genug.

Die Kreml- und die Kathedralengruppen fanden sich wieder zusammen und da bis zur Dämmerung noch Zeit war, entschloss man sich, eine Stärkung zu sich zu nehmen. Petras Reiseführer hatte einen Tipp für ein Restaurant mit typisch russicher Küche ganz in der Nähe. Das hörte sich gut an... Der Reiseführer hatte aber nicht verraten, dass es ein Selbstbedienungsrestaurant war. Eigentlich ja auch kein Problem, aber wenn dann alles nur kyrillisch-russisch beschriftet ist und die Mitarbeiter am Tresen nur russisch sprechen, wird die Speisenauswahl zum Abenteuer. Aber die Experimentierfreude wurde belohnt – alle waren lecker gesättigt. Dank eines Mitarbeiters aus der Küche der Englisch konnte, wussten einige dann doch schon bei der Bestellung und der Rest im Nachhinein, was es zu essen gab. Ich naschte mal hier, mal da: Borschtsch und Bliny mit Honig waren meine Favoriten.

Dann waren die Wikinger bereit für den krönenden Abschluss des Tages: Abendstimmung auf dem Roten Platz. Die Fotografinnen Beate und Ingrid hatten es plötzlich eilig, um die „blaue Stunde" auszunutzen. Wer noch nicht weiß, was das ist: die Bilder bei einem ganz besonderen Licht sprechen für sich. Aber auch in Natura waren die angestrahlten Gebäude und die rot leuchtenden Sterne auf den Kreml-Türmen ein unvergesslicher Anblick.

Die letzte große Aufgabe des Tages war es, mit der Metro ins Hotel zurückzufahren. Die richtige Metro-Station von der aus es direkt zur Haltestelle am Hotel ging, war schnell gefunden. Und mit ein wenig Einfallsreichtum auch die in die richtige Richtung fahrende Metro. Zippe hatte einfach mit dem Handy den Namen der Endstation fotografiert und sich nach dem richtigen Bahnsteig erkundigt. Lektion 1 im selbstständigen Metro-Fahren bestanden!

 

Zurück im Hotel wurden die Erlebnisse des Tages wieder in Flur-Runden ausgetauscht. Auf zwei verschiedenen Etagen fanden Flur-Parties stand, da die zur Verfügung stehenden „Sozialräume" einfach zu klein waren für die gesamte Gruppe. Gegenbesuche sorgten für häufige Wechsel der Zusammensetzung der Party-Gemeinschaften. Auch ich ließ mich natürlich bei beiden Veranstaltungen blicken. Man hat ja auch so seine Verpflichtungen als Maskottchen... Es gab viel zu erzählen und so erfuhren wir, dass man in Russland beim Bestellen des Essens auch auf andere Art ein Abenteuer erleben kann. Bethina, Frank und Dirk hatten sich in einem Restaurant im Hotel Nudeln mit Bolognese-Sauce bestellt. Nach einer Stunde Wartezeit – alle anderen hatten bereits ihr Essen - fragte man vorsichtig nach und bekam zu hören, dass Bolognese „aus" sei. Alles oder nichts - russisches Roulette bei der Essensbestellung?!



Den Sonnabend hatten wir zur freien Verfügung und gestalteten ihn – abgesehen vom gemeinsamen Abendessen – höchst unterschiedlich.

Beim Frühstück trafen wir zum dritten Mal auf den sympathischen Mitarbeiter mit den tollen Deutschkenntnissen. Als Marina ihm einen Wikinger-Pin schenkte, war er sehr gerührt und zum ersten Mal in unserer Gegenwart sprachlos. Er fand den Pin so toll, dass er ihn sich direkt ans Revers steckte.

Der Kreml von Izmailovo direkt neben unserem Hotel lockte einen Großteil der Wikinger zum Besuch. Eine bunte Mischung aus Museen und Antiquitäten- und Kunsthandwerkmarkt bot genug Abwechslung für einige Stunden. Und diverse Mitbringsel wurden auch erstanden. U. a. kann Präsi Ingo nun mützenmäßig im Partnerlook mit mir auftreten. Im Anschluss testeten einige noch das hoteleigene Schwimmbad und/oder das Fitnesscenter.

 

Andere Wikinger hatten noch nicht genug von der großen Stadt und machten sich per Metro auf zu weiteren Entdeckungen. Als Isländer und Wikinger besitze ich naturgemäß das Entdeckergen, freute mich daher unbändig auf diesen Tag und machte es mir erneut in Astrids Rucksack bequem. Die prächtigen Metro-Stationen sind bereits Sehenswürdigkeiten für sich. Wir sahen einige von ihnen und bestaunten dabei bunte Wandgemälde, prächtige Kronleuchter, eine Sammlung von 76 Bronzestatuen, die viel vom russischen Leben zu erzählen haben und die längste zusammenhängende Rolltreppe der Welt, die 84 Höhenmeter überwindet. Letztere bewältigte ich auf der Fahrt nach oben ganz allein. Hinab bin ich an Astrids Hand auf dem Handlauf gerutscht und habe von vielen Russen ein freundliches Lächeln bekommen.

Aber auch über der Erde gab es noch genug zu sehen. Unser erstes Ziel war das Neue Jungfrauen-Kloster, das einem als Tourist sicher viel besser gefällt als so mancher als aufmüpfig empfundener Frau, die hinter den Mauern verschwinden musste. Leider war die größte Kathedrale auf dem Gelände geschlossen, aber auch so gab es genug zu sehen, u. a. jahrhunderte alte Ikonen oder auch (hihi) einen Kinderwagen.

Neben dem Neuen Jungfrauen-Kloster liegt der dazugehörige Friedhof auf dem seit 1889 die russische Prominenz – Politiker, Wissenschaftler, Militärangehörige und Künstler - begraben wird. Die Grabsteine sind Werke berühmter Bildhauer. Am Eingang wurde die Wikinger-Gruppe von einer älteren Dame auf deutsch angesprochen, die sich offensichtlich über das Interesse freute und reichlich Tipps gab, wo die interessantesten Gräber zu finden waren. Am Ende erzählte sie uns, dass sie Freunde in Stuttgart hat, aber auch Flensburg sagte ihr etwas. Die Mädels der Gruppe empfanden es zudem als großes Kompliment, dass man sie für Studentinnen gehalten hatte. ;-) Wir schlenderten über den Friedhof und blieben immer wieder stehen. Denn nicht nur die Gräber uns so bekannter Persönlichkeiten wie Boris Jelzin, Raissa Gorbatschowa, Nikita Chruschtschow oder dem Flugzeugkonstrukteur Alexei Tupolew faszinierten, sondern auch die vieler Künstler. Ein Friedhof, der viel zu erzählen hat.

Ein weiteres „Muss" ist laut diverser Reiseführer der Gang über die Andrejewskij-Brücke. Die ehemalige Eisenbahnbrücke ist nun Fußgängerbrücke und Dank einer Glas-Metall-Konstruktion absolut wetterunabhängig. Während man als Tourist tolle Ausblicke über die Skyline von Moskau und auf die Christi-Erlöser-Kathedrale genießt, ist sie für die Moskauer Jugend ein idealer Fußballplatz. Ich war ganz begeistert, als Marina einen Ball elegant zurück spielte. Sie bekam auch sofort ein „спасибо" (Danke) von den Jungs. Während meine Begleiter den weiteren Verlauf des Tages planten, genoss ich den herrlichen Ausblick und den Sonnenschein.

Ein weiteres Ziel der Moskau-unersättlichen Wikinger war der Alte Arbat, die erste Fußgängerzone der UdSSR – früher das Künstlerviertel Moskaus. Spuren hiervon sind immer noch sichtbar, nicht zuletzt durch das Denkmal für Alexander Puschkin und Natalja Gontscharowa. Deutlich sichtbar ist über den Häusern des Arbat die imposante Kulisse des Außenministeriums im Zuckerbäckerstil. Besonders stolz waren die Wikinger, die es auf dem Weg zum Arbat geschafft hatten, die Metro-Station Lenin-Bibliothek zu „bezwingen". Arne hatte meine Begleiter fast schon gewarnt vor dieser Station, da sich hier immerhin vier Metro-Linien treffen und man einiges an unterirdischer Strecke zurücklegen muss, um von einem Bahnhof zum anderen zu kommen. Die Gruppe orientierte sich an den mittlerweile vertrauten kyrillischen Zeichen und fand den richtigen Weg völlig problemlos. Ich war richtig stolz auf sie: Metro-Fahren in Moskau – kein Problem für Wikinger! :-)

 

Pünktlich um halb sechs verließ die wiedervereinte Wikingergruppe das Hotel und fuhr mit der Metro zum gebuchten Restaurant. Auf dem Tisch standen bereits zahlreiche Leckereien und alle ließen es sich schmecken. Vor dem Hauptgang wurden wir von einer Folkloregruppe unterhalten, insbesondere Frøya sah man, dass sie gern mitgesungen hätte, während ich auf dem Tisch tanzte. Nachdem auch der Hauptgang vertilgt war, bestellten sich einige Wikinger einen Wodka und staunten nicht schlecht über die Glasgröße... Zurück im Hotel machte man es sich entweder im Sozialrum der 24. Etage oder im „Heinl-Dibbert-Zimmer" gemütlich und verfolgte per Handyliveticker die Auswärtsspiele der SG A-Jugend und des Juniorteams. Am Ende wurden zwei Siege bejubelt, die den perfekten Abschluss für die Reise bildeten.



Am Sonntagmorgen fand sich die Gruppe zu einem wahren FRÜHstück im Hotelrestaurant ein, ehe es per Bus zurück zum Flughafen ging. An einem Sonntagmorgen sind sogar in Moskau die Straßen frei und so waren wir sehr pünktlich vor Ort. Die Sicherheitskontrollen stellten kein Problem dar, mein Schwert wurde nur freundlich belächelt – pöh, und auch dieses Mal reisten die Trommeln als Handgepäck. Im Duty Free Bereich wurden die letzten Rubel verjubelt und dann ging es auch schon ins Flugzeug. Besonders beachtenswert, obwohl die Wikinger im Flieger relativ verstreut saßen, hatte man es geschafft, viermal Hansen (Loni, Hartmut, Maren und Bethina) nebeneinander zu platzieren. Sonst verlief der Rückflug wie schon der Hinflug ohne besondere Vorkommnisse und wir landeten sicher in Hamburg. Dort wartete bereits unser Bus, der uns sicher zurück in den Norden brachte. Eine Flasche Prosecco hatte es von Neuberend via Hannover und Moskau nach Hamburg geschafft und wurde nun unter neuer Bezeichnung „Moscosecco" geleert. Auch ich durfte einmal nippen – danke, Mädels.

Am frühen Nachmittag waren wir wieder in Flensburg und eine eindrucksvolle, lustige sowie richtig schöne Reise war zu Ende. Ich hoffe schon jetzt, dass ich auch nächstes Mal wieder dabei sein darf, wenn es für die SG sowie die Wikinger quer durch Europa geht.

 

Euer Grímur