Als Wikinger mit den Wikingern nach Sankt Petersburg oder: ein russisches Wintermärchen
Hallo, mein Name ist Grímur, ich bin ein handballbegeisterter, isländischer Wikinger. Im November 2008 wurde ich anlässlich der damaligen Champions League Reise der SG Flensburg-Handewitt zu Haukar Hafnarfjörður vom Fanclub „Die Wikinger" adoptiert und reise seit dieser Zeit als Maskottchen durch die Handballhallen dieser Welt.Vom 23. bis 26. Februar 2011 durfte ich mit 20 Wikingern, Reiseleiter Arne und drei Gästen St. Petersburg erkunden und natürlich unsere Mannschaft unterstützen.
Wir starteten am 23.02. um 6:30 Uhr in Flensburg, nahmen in Schuby weitere Reiseteilnehmer an Bord und fuhren gut gelaunt weiter nach Hamburg. Schnell zeigte sich, dass alle gut auf die Temperaturen am Reiseziel vorbereitet waren: Zippe betätigte sich als Mützenmodel und führte die unterschiedlichsten Modelle vor – von selbst gestrickt bis Polarkreis-tauglich war alles dabei. Nur an meine empfindlichen Ohren hatte bis dato niemand gedacht ...
Check-In und Sicherheitskontrolle verliefen unproblematisch und so enterten wir zügig die Geschäfte und Cafés des Hamburger Flughafens. In der Raucher-Lounge knüpfte Bethina erste Kontakte zu
einem sympathischen jungen Mann namens Arvid, der zu diesem Zeitpunkt sicher nicht einmal ansatzweise ahnte, dass er ca. 30 Stunden später das erste Handballspiel seines Lebens sehen sollte ... . Auf
dem Weg ins Flugzeug erhielt er die Einladung auf eine Eintrittskarte und nahm diese spontan an. Mutig. Da er im Flieger direkt vor Kristin und Astrid saß, konnten weitere Details (inkl. der
Mannschaftsaufstellung) unproblematisch geklärt werden – spätestens jetzt merkte er vermutlich, dass man Wikingern nicht so leicht entkommt. Der Rest der Reisegruppe beschäftigte sich derweil mit
schnacken, lesen, schlafen oder dem Einkleben von Panini-Bildern des FC St. Pauli. Diese Tätigkeiten mussten jedoch unterbrochen werden, als Arne Formulare austeilte, die von jedem vor der Einreise
nach Russland auszufüllen waren. Jetzt war endgültig klar, dass es nicht mal eben nach Spanien oder Frankreich ging. Im Landeanflug auf St. Petersburg mischte sich ein weiterer Passagier in das
Anwerbegespräch ein. Es handelte sich um Herrn Siemer aus Wittingen, der seit Jahren Sympathien für die SG hegt und sich freute, dass sich ihm unverhofft die Möglichkeit zu einem Spielbesuch bot. Er
erhielt selbstverständlich die notwendigen Informationen und versprach, genau wie Arvid, am kommenden Tag die SG zu unterstützen. Die Passkontrolle am St. Petersburger Flughafen bestanden alle ohne
Beanstandungen, auch wenn einigen die Bedeutung der roten Linie am Fußboden zunächst nicht klar war und sie entsprechend energisch darauf hingewiesen wurden, dass sie hinter dieser Linie zu warten
hätten. Als wir den Flughafen verließen, erwartete uns neben dem gemieteten Bus auch die kalte russische Luft und ich war froh, dass ich im Rucksack von First Lady Birte sitzen durfte. Eine ¾ Stunde
dauerte der Transfer ins Hotel, der uns an großen Einkaufszentren und grauen Wohnblocks vorbei führte. Wesentlich beeindruckender waren allerdings die Schneemassen, die sich am Straßenrand
auftürmten. Die Straßen selbst waren jedoch komplett schnee- und eisfrei – offenbar sind die Salzvorräte in St. Petersburg größer als bei uns. Wenige Meter vor dem Hotel legte unser Busfahrer Nikolay
eine Meisterleistung hin, als er sein Gefährt sicher durch zugeparkte Kurven manövrierte. Schnell waren im Hotel Kronverk die gemütlichen Zimmer verteilt und bezogen. Nach einer kurzen Erholungspause
ging es in den Speisesaal, wo ein leckeres, wenn auch etwas knapp bemessenes, Buffet auf uns wartete. Im Anschluss zog die Gruppe, dick vermummt und angeführt von Arne zu einer Wechselstube, in der
sich jeder mit Rubel eindeckte. Da es recht frisch war, kehrten wir auf dem Rückweg in einer Kneipe ein, um uns ein bisschen aufzuwärmen und natürlich auch, um die einheimischen Getränke zu
probieren. Da es uns dort gut gefiel und die Kneipe nur wenige Meter von der Sporthalle entfernt lag, entschieden wir spontan, dass dies ab sofort das St. Petersburger Vereinslokal der Wikinger sein
sollte und wir am nächsten Abend dort zu Abend essen wollten. Kurz vorm Hotel statteten wir noch einem Supermarkt einen Besuch ab, um weitere Rubel unters Volk zu bringen. Wie bereits erwähnt, bin
ich ein Island-Mitbringsel von 2008. Doch noch etwas Anderes haben die Wikinger von dort mitgebracht: den Hang zu Flur- oder Zimmerparties. Genau wie in Schaffhausen 2010 war es auch in St.
Petersburg das Zimmer von Marina und Astrid, das als Veranstaltungsort diente. Ausgestattet mit den soeben erworbenen Getränken, Knabberkramtüten, Weingummi und Schokolade machten es sich 23 Personen
auf Stühlen, Fußboden und Betten gemütlich und ließen den Abend in fröhlicher Runde ausklingen. Es wurden dabei allerlei lustige Geschichten erzählt. Den Vogel schossen allerdings Horst und Hans
Werner ab, die dem Rest ernsthaft weismachen wollten, dass sie die Hälfte ihrer Wodkaflasche aus Versehen verschüttet hätten. Soso... ! Zu vorgerückter Stunde löste sich die Versammlung auf und alle
verschwanden in ihre Zimmer. Nicht überliefert ist, ob Petra tatsächlich im 8. Stock (des siebenstöckigen Hotels) genächtigt hat...
Der Donnerstag startete mit einem ausgedehnten Frühstück bevor es warm eingepackt in Nikolays Bus ging. Dort wartete bereits Irina, die uns in den folgenden vier Stunden bei strahlendem Sonnenschein auf sympathische Art die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt näher brachte. Unseren ersten Fotostopp legten wir am Panzerkreuzer Aurora ein. Eine von hier abgefeuerte Kanone war 1917 das Signal zur Erstürmung des Winterpalastes und somit der Beginn der Oktoberrevolution. Irina erzählte uns, dass man dieses Ereignis in Russland sarkastisch mit den Worten „Einmal wurde geschossen – 70 Jahre lang ging alles kaputt" kommentiert. Der nächste Stopp war zugleich ein Highlight: das Smolnyi-Kloster mit seinem strahlend weiß-türkis-farbenen Anstrich. Wir wanderten durch den Klostergarten und staunten sowohl über die Bauten, als auch über den Schnee, der sich hier ebenfalls hoch auftürmte. Manch einer mochte sich kaum trennen und musste durch energisches Hupen von Nikolay in den Bus zurückbeordert werden. Durch den dichten St. Petersburger Verkehr fuhren wir an diversen bedeutsamen Gebäuden vorbei, wobei das KGB-Gebäude im Zusammenspiel mit Irinas Ausführungen ein mulmiges Gefühl hinterließ. Doch blieb zum Glück keine Zeit für düstere Gedanken, da wir bald vor der farbenfrohen Christi-Auferstehungskirche mit ihren Zwiebeltürmen standen. Friedensreich Hundertwasser hätte mit Sicherheit seine Freude an diesem prächtigen Bauwerk gehabt. Es war nur Zeit für einen Fotostopp, doch sollten einige von uns am nächsten Tag hierher zurückkehren. Nach einer erneuten fahrerischen Meisterleistung von Nikolay standen wir auf dem Schlossplatz, der von Winterpalast / Eremitage und Generalstabsgebäude flankiert wird. Die Fotoapparate knipsten um die Wette, was in Anbetracht der beeindruckenden Gebäude kein Wunder war. In der Mitte des Platzes thront die knapp 50 m hohe Alexandersäule, die an den Sieg über Napoleon 1812 erinnert und deren Engelsfigur auf der Spitze die Gesichtszüge von Zar Alexander I. trägt.
Am Ufer der Newa entlang gelangten wir zur Strelka, wo wir einen Blick auf die beiden Rostra-Säulen, welche früher als Leuchttürme genutzt wurden, sowie die St. Petersburger Börse werfen konnten. Kurz darauf umrundeten wir „Peters Häuschen", eine Holzhütte, welche 1703 auf Geheiß von und für Zar Peter I. in nur drei Tagen errichtet und 1784 mit einer Steinmauer umgeben wurde, um das Gebäude für die Nachwelt zu erhalten. Den Abschluss unserer Stadtrundfahrt bildete ein Besuch der Peter-Paul-Festung, durch die wir mit Irina spazierten. Am Ufer der Newa stärkten wir uns mit Keksen, während wir den Ausblick auf den Fluss sowie die gegenüberliegenden Gebäude genossen. Kurz darauf betraten wir die Peter-Paul-Kathedrale, in der die meisten der russischen Monarchen beigesetzt wurden. Leider wird die Kathedrale zurzeit restauriert, so dass viele Grabaufsätze und Skulpturen mit Folien abgedeckt waren. Dies schmälerte den überwältigenden Eindruck aber nur gering, da es auch so noch jede Menge Gold und Marmor zu bestaunen gab. Ungewöhnlich für eine russisch-orthodoxe Kirche besitzt die Peter-Paul-Kathedrale eine Kanzel. Laut Irina wurde diese jedoch nur einmal benutzt und zwar um 1902 Leo Tolstoi zu exkommunizieren. Irina unternahm mit uns eine Reise durch die Zarenzeit und wir waren alle beeindruckt, wie sicher sie die Namen und Jahreszahlen beherrschte.
Als Erstes statteten wir den Ruhestätten der beiden „großen" Zaren, Peter I. und Katharina II., einen Besuch ab und erfuhren viel über ihre Familiengeschichte. Auch in die Seitenkapelle, in der 1998 die Familie des letzten russischen Zaren, Nikolaus II., 80 Jahre nach ihrer Erschießung in Jekatarinenburg beigesetzt wurde, warfen wir natürlich einen Blick. Übrigens fand im September 2006 die letzte Beisetzung in der Kathedrale statt, als die sterblichen Überreste der gebürtigen Dänin Dagmar, Kaiserin von Russland, 78 Jahre nach ihrem Tod von Roskilde nach St. Petersburg überführt und an der Seite ihres Mannes, Kaiser Alexander III. bestattet wurden.
Auf dem Weg zum Ausgang der Kathedrale wurde uns noch ein weiteres Highlight geboten: in einem Nebenraum sang ein vierköpfiger Männerchor A-capella orthodoxe Kirchenlieder für uns. Nicht nur
Frøya, als ausgebildete Sängerin, war von der Stimmgewalt der Herren begeistert.Wir verließen die Festung und Irina verabschiedete sich von uns. Die letzten Meter zum Hotel legten wir zu Fuß zurück
und unterhielten uns über das soeben Gesehene. Wir hatten viel gelernt und großartige Eindrücke gewonnen, doch eine strahlte über beide Ohren: Dänin Bethina war begeistert, dass sie – im Gegensatz
zur Islandreise 2008 – nicht hören musste, dass Dänemark eine negative Rolle in der Historie unseres Gastgeberlandes gespielt hatte, sondern es stattdessen immer wieder hieß: „Die Schweden waren's!"
Nach einer kurzen Verschnauf- und Umkleidepause im Hotel ging es mit Fahnen und Trommeln zur Halle. Entgegen der Erwartung einiger Wikinger hatte Arvid sein Versprechen in die Tat umgesetzt und war
dabei. Beim Proben der Mannschaftsaufstellung vor dem Eingang der großen Halle des Jubilejny-Sportkomplexes konnte er auch sogleich Präsi Ingo soufflieren, als dieser kurz ins Stocken geriet. Der
Spickzettel, den er am Vortag erhalten hatte, hatte sich bezahlt gemacht. Als wir in der Halle waren, habe ich ihn auch endlich begrüßt – so von Maskottchen zu Neu-Fan. Da in der Halle die Sitzplätze
frei gewählt werden konnten, verteilten wir uns großzügig in einem Block und bekamen später noch Zuwachs durch die mitgereisten Mitglieder des Club 100. Die mitgebrachten Fahnen wurden aufgehängt und
die Trommeln in Position gebracht. Natürlich wurde mir ein Platz in der 1. Reihe zugewiesen, so dass ich alles gut verfolgen konnte. Unsere Mannschaft freute sich augenscheinlich über unsere
Anwesenheit, denn jeder Spieler winkte beim Betreten der Halle erst einmal lächelnd in unsere Richtung. Eine sehr nette Geste. Arvid hatte derweil den Getränkestand ausfindig gemacht und so weitere
Pluspunkte gesammelt. Die Stimmen wurden kurz geölt und dann ging es auch schon los. Zunächst stimmte eine Cheerleadergruppe die Zuschauer ein, bevor die offizielle Champions League Zeremonie begann.
Der uns gegenüberliegende Fanblock von HK St. Petersburg hatte sich eine Choreo ausgedacht, die Anders Eggert nach dem Spiel treffend mit den Worten „Da sind sie schon so wenige und dann verstecken
sie sich auch noch hinter ihren Pappen" kommentierte. In der Tat war der Zuschauerzuspruch bei diesem Spiel enttäuschend. Offiziell sprach man von 2.000 Zuschauern, doch dürften es maximal 500
gewesen sein, die sich in der 7.000 Personen fassenden Halle verliefen. Angetrieben von Wikingern, Neu-Fan und Club 100 legte die SG los wie die Feuerwehr und lag nach zehn Minuten mit 8:3 in Front.
Patrik glänzte ein ums andere Mal als Anspieler und Torschütze, während sich Anders sechsmal als Mr. 100% von der 7m-Linie erwies. Für Søren gab es hingegen wenig zu tun, doch wenn einmal ein Ball
aufs Tor kam, war er zur Stelle. So ging es mit einem mehr als beruhigenden 17:9 für unsere Mannschaft in die Kabinen. Schade, dass Eurosport dem Wintersport den Vorrang gegeben hatte und die
Daheimgebliebenen daher dieses spielerische Feuerwerk verpassten. In der Pause fand sich auch Herr Siemer in der Halle ein, der es leider nicht früher geschafft hatte. Umso respektabler, dass er sich
nur für eine Halbzeit auf den Weg gemacht hatte. Fans von Zenit St. Petersburg versuchten derweil einige von uns abzuwerben, um das Europa League Spiel von Zenit gegen die BSC Young Boys zu gucken.
Doch war ein Besuch des benachbarten Petrovski Stadions nicht nur wegen der eisigen Temperaturen von – 13° C keine wirkliche Alternative zum Spiel in der 18°C warmen Halle, sondern hofften wir
natürlich auch alle, dass die zweite Hälfte genauso schön werden würde, wie die erste. Leider klappte das nicht ganz. Ob es daran lag, dass Eurosport nun live auf Sendung war? Die SG war jedenfalls
plötzlich völlig von der Rolle und es lief nicht mehr viel zusammen. Nachdem HK St. Petersburg auf vier Tore verkürzt hatte, reichte es Ljubo und er nahm eine Auszeit. Eine Auszeit die uns aufhorchen
ließ. Kommt es doch nicht oft vor, dass man das Auftreffen der grünen Karte auf dem Kampfgerichtstisch am anderen Ende der Halle hören kann... Ganz augenscheinlich war unser Trainer „ein wenig"
aufgebracht. Zumindest fand er sehr deutliche und gut vernehmbare Worte in Richtung seiner Mannschaft. Im Anschluss lief es wieder etwas besser, nicht zuletzt weil Patrik klug Regie führte und seine
Nebenleute immer wieder schön in Szene setzte. Am Ende stand ein 31:25 Auswärtssieg an der Anzeigetafel, den Mannschaft und Fans mit einer La Ola gebührend feierten. Arvid und Herr Siemer zeigten
sich begeistert vom Spiel sowie unseren Jungs und betonten beide, dass es ihnen sehr gut gefallen habe. Natürlich waren sie auch dabei, als sich Spieler und Fans auf der Platte trafen. Anders und
Jacob gingen gar nicht erst in die Kabine, sondern blieben gleich auf dem Feld, um mit uns zu reden. Anders fand Gefallen an Rolands Fellmütze und musste sie gleich einmal aufprobieren. Als Jacob
hörte, dass wir noch einen Tag länger in der Stadt bleiben würden, bestellte er bei Roland eine rote „Russenmütze", damit er bei künftigen Ausflügen in diese Region passender gekleidet sei. Als es
ans obligatorische Gruppenfoto ging, fanden sich noch diverse weitere Spieler ein und drängelten sich fröhlich ins Bild, auf dem natürlich auch unsere beiden Neu-Fans nicht fehlen durften.
Anschließend wurde weiter geschnackt und die Spieler erfuhren u. a., dass wir im Flugzeug Überzeugungsarbeit geleistet sowie bereits einen schönen Tag in
St. Petersburg verlebt hatten. Als die Jungs in der Kabine verschwunden waren, machten sich die meisten von uns auf den Weg in unser neues Vereinslokal, während unsere Fotografinnen und Ruwen noch
arbeiten mussten. Herr Siemer verabschiedete sich, Arvid zog mit uns weiter. In der Kneipe hängte Zippe zunächst einmal die Wikingerfahne auf, so dass sie nun offiziell unser St. Petersburger
Vereinslokal war. Uns erwartete ein hervorragendes 3-Gänge-Menü, das aus typischen russischen Speisen sowie Wodka, wahlweise Likör, bestand. Den ersten Gang bildeten Bliný (dünne Pfannkuchen) mit
Salzhering, gefolgt von einer gehaltvollen Kohlsuppe, während Pelmeni (eine Art Maultaschen) den Abschluss bildeten. Hungrig ging an diesem Tag niemand vom Tisch – im Gegenteil. Ein großes Lob an
Arne, der dieses Menü am Tag zuvor für uns ausgehandelt hatte.
Zwischenzeitlich hatte sich Kostja, ein Freund Frøyas, zu uns gesellt. Die beiden haben zusammen in Rostock Musik studiert und sich seit vier Jahren nicht gesehen. Kein Wunder, dass sich der sympathische St. Petersburger die Chance auf ein Wiedersehen nicht nehmen ließ. Warum er allerdings beim Spiel durch Abwesenheit glänzte, konnte er nicht plausibel darlegen... ;-) Während wir im TV den Sieg von Zenit verfolgen konnten, kamen auch die letzten Reisegruppen-mitglieder an und genossen das leckere Essen. Erneut endete der Tag in Zimmer 709, auch Kostja und Arvid waren dabei. Sie fühlten sich offensichtlich pudelwohl bei bzw. mit uns. Erneut wurden landestypische Getränke und einheimischer Knabberkram verzehrt sowie viel geredet und gelacht. Frøya ließ sich von Kristin, Renate und Ede zu einer spontanen musikalischen Darbietung überreden und ihren Fanclub das Lied bestimmen. Kostja berichtete im Anschluss, dass er am nächsten Tag einen Auftritt hätte und sich sowohl über Frøyas Unterstützung als auch unseren Besuch freuen würde. Als er und Arvid unsere Party verließen, bekam Arvid als Neu-Fan feierlich von Marina einen Wikinger-Pin überreicht, den er sich sogleich ans Revers heftete. Da er nicht zuletzt bei Lasse Svan im Wort steht, werden wir ihn hoffentlich bald in der Campushalle begrüßen können. Toll, wenn sich jemand so spontan zu einer Veranstaltung überreden lässt und dann auch noch vom „SG-Handball-Virus" infiziert wird. Auch Ingrid und Ruwen fanden sich zu vorgerückter Stunde ein, nachdem die Arbeit für Flensborg Avis und Russland Aktuell erledigt war. Im Gegensatz zum vorigen Abend lichteten sich die Reihen zwar recht frühzeitig, doch verließen die letzten Gäste (von denen zwei durch die Gastgeberinnen liebevoll „Waldorf und Statler" getauft worden waren) trotzdem erst um kurz nach zwei Uhr das Partyzimmer. Ein rundum gelungener Tag war zu Ende und alle fielen müde, aber glücklich ins Bett. Am Freitag teilte sich die Reisegruppe nach dem Frühstück auf. Der Großteil machte sich auf den Weg zur kleinen Porzellanmanufaktur Lomonosov. Nach der Besichtigung fuhr man zurück in die Innenstadt, stattete dem riesigen Einkaufszentrum Gostiny Dwor einen Besuch ab und erkundete die nähere Umgebung der Haupteinkaufsstraße Newskij Prospekt, wobei ein weiterer McD-Länderpunkt geholt wurde. Zudem wurde Jacobs Bestellung abgearbeitet und eine wunderbare Fellmütze gekauft. Mein spezieller Dank geht an Inga und Heino, die die großartige Idee hatten, auch für mich eine Mütze zu kaufen. Die kleinere Gruppe, der ich mich anschloss, machte sich etwas später als die anderen auf einen ca. 6 km langen Rundkurs durch die St. Petersburger Innenstadt. Wie gut, dass ich getragen wurde... Entlang der Newa kamen wir zur Strelka, die im Sommer eine hübsche Grünanlage zieren soll. Von hier genossen wir den Blick auf die gegenüberliegende Peter-Paul-Festung, die sich schön gegen den klaren Himmel abzeichnete. Auch die beiden Rostra-Säulen sowie die Börse, die an einen römischen Tempel erinnert, wurden erneut in den Kamerasucher genommen. Weiter ging es zur Admiralität. Dort traute ich mich zum ersten Mal aus dem Rucksack und blickte zu Füßen eines Löwen auf Newa und Kunstkammer. Vorbei an der „Zar und Zimmermann" Skulptur von Zar Peter I. kamen wir zum Ehernen Reiter, einem Reiter-Standbild das ebenfalls Peter I. zeigt. Das zum Sprung ansetzende Pferd, das die Schlange der Falschheit zertritt, soll den Sprung Russlands nach Europa symbolisieren. Die Skulptur ruht auf einem 1.600 t schweren Felsmonolith, der die Widmung „Peter dem Ersten, Katharina die Zweite, 1782" in kyrillischer und lateinischer Schrift trägt. Wir schlenderten über den Dekabristenplatz zur Isaaks Kathedrale und erklommen via 200 Stufen einer Wendeltreppe die Aussichtsplattform in 43 m Höhe. Eine Anstrengung, die sich gelohnt hat, denn uns bot sich ein phantastischer Blick auf die Stadt. Am Reiterstandbild von Nikolaus I. vorbei ging es zum kleinen Fluss Mojka. Wie so oft in diesen Tagen trafen wir auch hier auf eine Arbeiterkolonne, die dabei war mit schweren Eisenstangen die mehrere Zentimeter dicke Eisschicht auf dem Fußweg zu entfernen.
Wir erreichten den Newskij Prospekt und spürten das pulsierende Leben der 5-Millionen-Einwohner-Großstadt: Autokolonnen, Menschenmassen und viele exklusive Geschäfte. Viele Namen kamen uns bekannt vor – wir konnten sie schlicht lesen. ;-) Zielstrebig steuerten wir das Café Singer an, in dessen Gebäude sich zudem eine große Buchhandlung befindet. Wir deckten uns zunächst mit Postkarten ein, um dann das Café zu entern. Meine Begleiterinnen entschieden sich für Bliný mit den verschiedensten Füllungen sowie einige Heißgetränke. Ich saß derweil neben den Blumen auf dem Tisch und besah mir das Treiben im Café sowie auf dem Newskij. Die äußerst freundliche Kellnerin Aylia brachte schon bald die Köstlichkeiten und amüsierte sich über unser Erstaunen beim Anblick der Heißen Schokolade. Unter einer dicken Sahnehaube befand sich geschmolzene Schokolade, die sämig vom Löffel tropfte. Lecker! Übrigens ist dies keine russische Erfindung, wie Kostja mir am Abend erzählte, sondern eine vor vielen Jahren aus Deutschland importierte Idee. Frøya und Ruwen gesellten sich zu uns, da sie ihre Pläne unvermittelt ändern mussten. Eigentlich hatten sie dem Winterpalast einen Besuch abstatten wollen, doch da auch die Herren Medwedew und Juan Carlos von Spanien dies vorhatten, mussten unsere beiden draußen bleiben. Auch sie stärkten sich mit einer kleinen Mahlzeit, bevor wir uns gemeinsam auf den Weg zur Auferstehungskirche oder auch Erlöserkirche machten. Auf dem Weg dorthin trafen wir auf ein paar bekannte Gesichter: auch ein Teil der anderen Gruppe hatte sich die Kirche noch einmal ansehen wollen. Zu meiner großen Freude waren auch Inga und Heino dabei und überreichten mir zusammen mit dem Präsi meine Mütze. Danke! So posierte ich auch gleich für Ingrid vor der Kirche, die wir nun besichtigen wollten. War das Äußere der Kirche schon beeindruckend aufgrund der Farbenpracht, so verschlug es einem im Inneren vollends die Sprache. Wunderschöne Mosaike bedecken die gesamten Wand- und Deckenflächen. Ein Baldachin über einem Stück Straßenpflaster markiert die Stelle, an der 1881 Zar Alexander II. durch ein Attentat tödlich verletzt wurde. Ihm zu Ehren wurde die Kirche an dieser Stelle erbaut, weswegen sie auch den Beinamen „Erlöser auf dem Blut Kirche" hat. Mit unseren blauen Platiküberzieherschuhen wanderten wir staunend von Mosaik zu Mosaik – was für eine Farbenpracht, was für eine Detailtreue. Zudem schienen einen die Augen der Abgebildeten zu verfolgen. Zu Sowjetzeiten gab es Überlegungen die Kirche zugunsten einer Straße abzureißen, großartig, dass diese Idee nicht ausgeführt wurde. Eine Ausstellung zeigte in beeindruckenden Aufnahmen, wie angegriffen einzelne Mosaike vor der Restaurierung in den 1990er Jahren ausgesehen hatten und wie farbenprächtig sie im Anschluss wieder waren. Auch die Aufnahme einer Fliegerbombe aus dem 2. Weltkrieg, die neben der Kirche gefunden wurde, hatte ihre Wirkung auf uns. Zurück im Sonnenschein statteten wir dem Markt auf der anderen Straßenseite einen Besuch ab, auf dem Souvenirs von kitschig bis schön angeboten wurden. Mit dem Ingenieursschloss im Rücken durchquerten wir das Marsfeld, das in früheren Zeiten als Parade- und Exerzierplatz genutzt wurde. Den angrenzenden Marmorpalast ließen wir links liegen und nach einem Spaziergang über die 580 m lange Dreifaltigkeitsbrücke waren wir wieder auf „unserer" Insel St. Petersburgs. Ein Brautpaar ließ sich am Ufer der Newa fotografieren und wir besahen uns das Häuschen von Peter dem Großen aus der Nähe. Die farbenprächtige Moschee, die uns am Mittwoch beim Flughafentransfer noch in Staunen versetzt hatte, konnte uns nun nur noch ein müdes Lächeln abringen. Zu beeindruckend war die kurz zuvor besuchte Auferstehungskirche. Durch den Alexandrovskij Park kehrten wir zu unserem Hotel zurück – mit müden Füßen, aber einem Lächeln im Gesicht.
Ein Wermutstropfen erwartet uns an der Rezeption: „Der Fahrstuhl ist defekt, bitte nehmen Sie die Treppe!" Hurra. Die unorthodoxen Stufenabstände (mal fünf, mal zehn Zentimeter) verlangten uns noch einmal alles ab, doch wir schafften es in den 6. bzw. 7. Stock und fielen erst einmal erschöpft auf unsere Betten. Beim Abendessen traf die gesamte Reisegruppe wieder zusammen und man berichtete sich gegenseitig von den Erlebnissen des Tages. Der Großteil blieb im Anschluss im Hotel und pflegte die rund gelaufenen Füße, doch eine kleine Gruppe machte sich auf in den Jazzclub, in dem Kostja mit seinem Kollegen auftreten sollte. Da ich Musikliebhaber bin, schloss ich mich gern an und bestaunte zunächst einmal die 100 m lange und ziemlich steile Rolltreppe, die nach unten zu den Metrogleisen führt. Schwindelfrei sollte man schon sein, wenn man hier hinauf- oder hinunter fährt. Wie gut, dass ich erneut im Rucksack saß. Das Fahren mit der Metro war dann aber gar kein Problem, der Plan war trotz der kyrillischen Buchstaben gut zu lesen. Unsere Fahrt endete am Moskauer Bahnhof, den wir unfreiwillig näher kennen lernten. Diverse Ausgänge waren verschlossen, worauf wir von Uniformierten jeweils mit einem energischen „Njet!" hingewiesen wurden. Aber dieses entschiedene „Njet" hatten wir in den letzten Tagen schon öfter gehört und mittlerweile nahmen wir es gelassen. Schlussendlich fanden wir einen offenen Ausgang und kurz darauf auch den Jazzclub. In einer Auftrittspause gesellte sich Kostja zu uns und erkundigte sich interessiert nach unserem Tagesprogramm.
Frøya trat tatsächlich zusammen mit den beiden Musikern auf und genau wie alle anderen genoss ich dies sehr. Im Anschluss durfte ich sogar ein Foto mit den Künstlern machen. Kostja hätte uns gern das Nachtleben von St. Petersburg gezeigt, doch in Anbetracht der Busabfahrtszeit um 6 Uhr zogen wir es vor, ins Hotel zurückzukehren. Um Viertel nach zwölf waren wir dort und standen vor verschlossenen Türen, doch ein Hotelangestellter ließ uns zum Glück hinein. Eine Nacht auf der Straße wäre bei ca. – 15° C nicht gerade erfreulich gewesen.
Zur vereinbarten Abfahrtszeit waren alle pünktlich am Bus und Nikolay brachte uns gewohnt sicher zum Flughafen. Nach gefühlten zehn Sicherheitskontrollen, die sich wie ein Trainingslager im Schwierigkeitsgrad steigerten („Schuhe ausziehen und Pass vorzeigen" gehörten immer dazu), saßen wir am Gate. Beim Einsteigen in den Flieger wurde uns noch einmal sehr bewusst, was für ein Glück wir mit dem „Zarenwetter" (viel Sonnenschein, kein Wind) der letzten Tage gehabt hatten: ein eisiger Wind pustete uns Neuschnee ins Gesicht – ein Gefühl wie tausend Nadelstiche. Nach einer langen Fahrt über das Rollfeld, sowie unserer Aufmunterung „Auf geht's Flugzeug – starten und fliegen!" hoben wir ab und landeten zwei Stunden später butterweich in Hamburg. Nachdem wir auch hier die Zollkontrolle erfolgreich absolviert hatten, konnte mein neuer Freund „Zar Kolja Mischka von Duty Free" sein Rucksackversteck verlassen und sich vorn zu mir in den Bus setzen. Unser Stamm-Busfahrer Dieter erwartete uns nämlich bereits, wollte aber entgegen unserer Annahme weder unsere Reisepässe noch unsere Socken sehen. Über die A7 ging es nun zügig zurück nach Schuby bzw. Flensburg. Eine großartige und eindrucksvolle Reise, die sicher allen noch lange im Gedächtnis bleiben wird, war zu Ende. Wie schön, dass wir dank unserer Mannschaft immer mal wieder solche tollen Reiseziele kennen lernen dürfen.
In der Galerie gibt es viele Fotos von dieser fantastischen Reise ... gesammelte Werke vieler Fotografen unter den mitgereisten Wikingern.
[Ghostwriterinnen für Grímur waren Astrid und Marina]
Die Flensborg Avis sowie Russland Aktuell berichteten über Wikinger und Mannschaft in Russland ...